Mittwoch, 14. Mai 2014

HEIDI

"Heidi, Heeeeeidi, Deine Welt sind die Beeeeeerge..." *

Die meisten werden sich noch an den Titelsong dieser Kinderserie aus den 70ern erinnern.

Kaum jemand aber weiß, dass ich mit der Protagonistin ein trauriges Schicksal teile.

Wir beide mussten im zarten Alter von 8 Jahren nach Frankfurt ziehen. Sie verließ dafür die herrlichen Schweizer Alpen, ich meinen geliebten Ruhrpott. 

Noch dramatischer als dieses Kindheitstrauma ist allerdings der Widerspruch zwischen der herrlichen Kindheit in den Bergen im Film und dem wenig romantischen Leben der Kinder in den Bergen Nordvietnams.

Heiße Sommer, kalte Winter, feuchter Nebel das ganze Jahr über. Die Hütten, an denen wir vorbeiwandern, haben wenig von einem Schweizer Chalet. Reis gibt es täglich, (vitamin- oder proteinhaltige) Beilagen nicht immer. 

Schulen sind vorhanden. 



Aber wie lange die Kinder sie besuchen dürfen, entscheiden die Eltern, besser gesagt, deren Portemonnaie. Nicht jede Familie kann es sich leisten, auf eine (kindliche) Arbeitskraft zu verzichten.
 


Und nicht immer können sich die Mütter selbst um ihre Kinder kümmern.


So gibt es dennoch eine Gemeinsamkeit mit Heidi: Auch hier passen häufig die Großeltern auf die Kinder auf, weil die Väter auf den Feldern sind und die Mütter den Touristen folgen, um ihre Waren zu verkaufen.



Wo es keine Großeltern gibt, da übernehmen die älteren Geschwister die Betreuung.



Und wenn die auch nicht da sind  - an dieser Stelle wird allen Helikoptereltern ein kalter Schauer über den Rücken laufen - dann bleiben die Kinder eben sich selbst überlassen.





Was soll schon passieren?




Und wenn man Glück hat, dann ist man sowieso nie allein. Denn dann hat man eine beste Freundin...


 ... oder eine Schwester.


Das weiß jeder, der eine hat.





*An dieser Stelle Parallelen zu singenden SPD-Bundestagsabgeordneten zu ziehen, ist vollkommen unangebracht. Ich wollte lediglich einen "schmissigen" Einstieg in diesen Blog-Beitrag.


Dienstag, 13. Mai 2014

SO NAH. SO FERN.

Lächelnd stehen sie vor mir. 
 



Lotta und Little Chi.

Die eine 9, die andere 19 Jahre alt.

Beide könnten meine Tochter sein. Und - soviel Ehrlichkeit muss sein - ich wäre damit nicht in einer RTL-Reality-Serie über Teenagermütter gelandet...



Lotta geht auf die United Nations School in Hanoi und auch wenn sie immer noch steif und fest behauptet, ihre Berliner Schule (die in dem Altbau, für den seit Jahren das Geld für die neue Farbe fehlt), sei "1000 mal schöner gewesen", wissen wir doch, dass sie ihre neue Schule mit Schwimmhalle, Art Center, wunderschöner Bibliothek und hochmotivierten Lehrern mittlerweile auch sehr mag.

Little Chi gehört zum Volk der Schwarzen Hmong. Sie hat vier Geschwister, zwei Schwestern und zwei Brüder. Als sie 8 war, haben ihre Eltern sie von der Schule genommen, obwohl sie sehr gerne dorthin gegangen ist. Aber sie sollte zu Hause helfen, auf die jüngeren Kinder aufpassen, das Haus putzen, Stoff mit Indigo färben und mit bunten Fäden besticken für die farbenfrohe Tracht der Hmong-Frauen. 




Zu Lottas Geburt haben wir ein Sparkonto für ihre Ausbildung angelegt. "Fürs Studium", hieß es zuerst, dann haben wir uns rasch verbessert : "oder für die Autowerkstatt". Schließlich möchten wir keinen unnötigen akademischen Druck aufbauen und ziehen durchaus in Betracht, dass Lotta eher was Praktisches lernen möchte. Und Chefin eines Autowerkstattimperiums, das wär' doch auch was...

Seit drei Jahren arbeitet Little Chi als Guide bei den "Sa Pa Sisters". Ihre Eltern haben dieser Tätigkeit zugestimmt. Geholfen hat dabei, dass Chis verheiratete ältere Schwester und ihre ältere Cousine auch dort arbeiten.
"Sa Pa Sisters" - das ist eine Trekkingagentur in Sa Pa, die Hmongfrauen gehört. Ausschließlich weibliche Angehörige dieser ethnischen Gruppe arbeiten dort und müssen nicht wie die anderen Frauen der Bergstämme bettelnd den Touristen hinterherlaufen, um ihnen die immergleichen - oft maschinengefertigten - Bändchen und Täschchen anzudrehen.

Die "Sa Pa Sisters" gehen vorweg. Und führen die Touristen auf ein- oder mehrtägigen Touren durch die wunderschöne Bergwelt im Norden Vietnams. Durch Reisfelder und Bambuswälder, auf schmalen Pfaden und bisweilen entlang steiler Hänge. Die meisten von ihnen tragen weiße Badelatschen und belächeln die professionelle Trekkingausrüstung Ihrer Kunden sanft.

Eine gut ausgelastete Guide verdient im Monat weit mehr als den in Vietnam üblichen Durchschnittslohn und der dürfte in den Bergen von Sa Pa noch erheblich niedriger liegen.

Die Hmong haben eine eigene Sprache und Vietnamesisch zu lernen ist für sie genauso mühsam wie für uns.

Englisch hat Little Chi nicht in der Schule, sondern allein von den Touristen gelernt. Und anders als die zahlreichen Hotelangestellten und Kellner, denen wir sonst in Vietnam begegnet sind, hat sie nicht nur eine sehr gute Aussprache, sondern auch noch einen enormen Wortschatz.
 
Sie ist schüchtern, aber wann immer wir sie etwas fragen, lächelt sie freundlich, dann erklärt sie und erzählt uns von dieser so fremden Welt um uns herum. 

 
Sollte Lotta sich in einigen Jahren (wenn Sie das Studium absolviert, bzw. ihr Autowerkstatt-Imperium aufgebaut hat) dann eines Tages doch dazu entscheiden, einen der zahlreichen Prinzen zu erhören, die in den nächsten Jahren vor unserer Tür Schlange stehen werden, werden wir ihr einfach nur wünschen, dass ihre Hochzeit eine genauso tolle Party wird wie unsere damals. 

Little Chi soll in einigen Tagen heiraten. Sie kennt den jungen Mann nicht, ihre Eltern haben ihn für sie ausgesucht. Er ist eigentlich in ein anderes Mädchen verliebt, aber seine Eltern haben dennoch entschieden, dass es Little Chi sein soll. Ein dreifaches Monatsgehalt werden sie den Brauteltern zahlen und sobald das erst einmal übergeben ist, haben sie das Recht, Little Chi notfalls auch mit Gewalt in ihr Dorf zu holen. Bezahlt ist schließlich bezahlt...

Little Chi hat versucht, ihre Eltern zu überreden, ihr noch etwas Zeit zu geben. Sie möchte gerne weiter arbeiten und Geld verdienen und wer weiß, ob ihr Bräutigam und dessen Eltern das erlauben werden. Ihre Eltern haben das kategorisch abgelehnt. Und sie haben auch nicht verstanden, was Chi überhaupt wollte.

Sie hat ihre ältere Schwester um Hilfe gebeten, aber auch die hat ihr klar gemacht, dass sie besser jetzt zugreifen sollte. Immerhin sei sie schon 19 und würde mit den Jahren immer schwerer "vermittelbar".

Little Chi findet es nicht unnatürlich, dass ihre Eltern einen Mann für sie ausgesucht haben. Sie hätte nur noch gerne etwas Aufschub. Und sie findet es auch für ihren Bräutigam so schade, dass er sich von dem Mädchen trennen soll, das er liebt, um nun Little Chi zu heiraten.

Andererseits möchte sie später nicht als unverheiratete alte Frau ihren Geschwistern auf der Tasche liegen. Die Frau ihres Bruders habe auch schon signalisiert, dass sie nicht beabsichtige, Little Chi später "durchzufüttern", nur weil die sich jetzt querstelle.

Eine Flucht nach Hanoi? Theoretisch möglich, aber die Gefahr, dass ein junges Mädchen aus den Bergen in einer Großstadt wie dieser unter die Räder kommt, ist hoch. Und selbst wenn sie hier zur Schule ginge oder sogar eine Ausbildung machen könnte - sie hat schreckliche Angst davor, dass ihre Familie sie dann verstößt und auch davor , dass sich niemand um sie kümmert, wenn sie dann mal eine alte Frau ist. Die gleiche Angst, die ihre Cousine hat, die mit 30 ein "hoffnungsloser Fall" ist und ihr ebenfalls dringend rät, bloss nicht aufzubegehren. 

Verheiratet zu werden mag schlimm sein, aber ohne Familie zu sein, das ist für ein Hmongmädchen vielleicht noch schlimmer. 





Manchmal hätte ich gerne 2 Töchter.


 



Montag, 12. Mai 2014

KENNEN SIE IHR KIND?

Da meint man, man kenne seine eigenen Kinder...

Ein Trekkingausflug gehört in Sa Pa zum Pflichtprogramm. Und so buchten wir eine geführte Tagestour durch die Reisfelder.

Eine Tagestour? Mit Lotta und Luis? War das nicht etwas gewagt?

Ja das war es. Einen ganztägigen Wanderausflug zu planen, mit Kindern, die in Hanoi schon jammern, wenn sie zu Fuß zum nur 200 m entfernten Minimarket gehen sollen? Kindern, die beim Bummel in der Altstadt nach spätestens 10 Minuten mit Krokodilstränen in den Augen fragen, wann sie es überstanden hätten und ENDLICH wieder nach Hause könnten?

So sahen Felix und ich unserem Ausflug denn auch eher mit gemischten Gefühlen entgegen...

Unsere Guide Little Chi -  eine Angehörige der Schwarzen Hmong - holte uns morgens um 9.00 am Hotel ab.  
 

Auf dem Weg durch das Städtchen schlossen sich uns dann noch Sang an  ...


...und Toan mit ihrer kleinen Tochter. 

 
Beide ebenfalls Schwarze Hmong und beide in der Hoffnung, dass wir ihnen am Ende der Wanderung etwas von ihrem Handarbeitssortiment abkaufen würden. (Was wir natürlich auch taten. Mit der Folge, dass wir nun überlegen, selber einen Souvenirladen zu eröffnen...)

Noch ein kurzer Zwischenstop auf dem Markt - Toan kaufte schnell noch etwas Proviant, von dem sie uns großzügig anbot - und schon marschierte unsere kleine Reisegesellschaft los.







Zuerst liefen wir eine Landstraße entlang. Dicht gefolgt von anderen Trekkinggruppen.


Denen war es - anders als uns - nicht gelungen, den Riesenpulk verkaufswütiger Damen abzuschütteln, der ihnen in Sa Pa aufgelauert hatte, so dass bei den meisten Gruppen auf einen westlichen Wanderer schnell mal drei Begleitdamen mit Verkaufsabsichten kamen...


All das ließen wir aber zum Glück schnell hinter uns, denn schon bald wurden wir zum ersten Mal gefragt: "You want the easy way or the other way?"



"The other way", entschieden wir tollkühn an jeder der folgenden Weggabelungen. Wählten damit immer wieder den schwierigeren, längeren, steileren Weg - und befanden uns bald allein auf der Strecke.



Was dann folgte, hatten wir nicht erwartet. Die erste Überraschung:



Jedesmal wenn wir um eine Ecke bogen, aus einem Bambuswald heraustraten oder eine kleine Anhöhe erklommen, bot sich uns eine neue atemberaubende Aussicht auf Reisfelder und Hügel.





Im Laufe des Tages folge die zweite Überraschung: Unsere Kinder.


Die marschieren begeistert bergauf und bergab, über schmale Pfade, wackelige Bambusbrücken und glitschige Steine in Wildbächen.



Ganz selten gab es eine Verschnaufpause. Und dann versorgten uns unsere drei netten Reisebegleiterinnen ...



 ... mit frisch gepflückten Beeren:

 

Auf halber Strecke gab es einen kurzen Stop in einem kleinen Dorf.


Für jeden ein Teller gebratener Reis. Doch lange wollten wir uns dort nicht aufhalten. Uns zog es weiter!


Gab es doch unterwegs so viel zu sehen und zu lernen:

Zum Beispiel, wie unglaublich grün junge Reispflanzen sind...


...oder wie junger Bambus aussieht, der angeblich am besten als Salat schmeckt, ...



...wie man aus Farnblättern wunderschöne Blumenkronen bastelt ...



 ... wie man Vögel von den Feldern vertreibt...

 
... oder wie man Enten...



... platzsparend transportiert...


... oder Entenfutter herbeischafft .



Viel zu schnell verging die Zeit und nach 8 Stunden und 16 Kilometern hatten wir das Ziel erreicht und wurden mit einem Bus wieder zurück nach Sapa gebracht.


Und da gab es dann doch noch lautes Gemecker von den Kindern: 

"Das ist GEMEIN! Wir wollen noch nicht nach Hause. Nie darf man mal wandern!"


Und dieses Gemecker, das hörten wir richtig gerne...









Donnerstag, 8. Mai 2014

IM NEBEL

Frühsommer hin oder her - der Nebel ist auch am nächsten Morgen noch da. Vielleicht ist er sogar noch etwas dichter geworden.

Zum Glück sind wir als echte "Diplomatenfamilie" nicht nur tropentauglich, sondern auch nebelfest -  und ziehen los zu einer kleinen Wanderung. 

Durch dichte Nebelschwaden folgen wir einer der Frauen, die - bepackt mit Brennholz, Einkäufen und Kleinkind - den Markt stadtauswärts verlässt. Richtung Heimatdorf.


Und tauchen ein in eine Traumwelt...

  

 
 

 


Wer weiß - vielleicht wird das mit Sa Pa und uns doch noch was...