Sonntag, 30. August 2015

EWIGE JUGEND

Abi 90. Liebigschule Frankfurt. 
25 Jahre danach.

Ein letzter Blick in den Spiegel. Dezentes Make up. Die Haare locker hochgesteckt. Vielleicht doch etwas Concealer, um die kleinen Augenfältchen abzudecken?

Nein. 25 Jahre sind eine lange Zeit. Die hinterlassen nun mal ihre Spuren. Selbst dann - oder gerade wenn? - es das Leben gut mit einem gemeint hat...

Ob man den anderen die vergangenen zweieinhalb Jahrzehnte genauso ansieht?

Und wird mir mein katastrophales Namengedächtnis mal wieder einen Streich spielen und ich den ganzen Abend stotternd vor "irgendwie bekannt" aussehenden Gesichtern stehen, zu denen mir beim besten Willen kein Name einfällt? 
Oder - noch schlimmer! - wird man sich zwar wiedererkennen, aber nach ein paar höflichen Begrüßungsfloskeln einfach nichts mehr zu sagen haben? 

Es kommt anders. 

Die Luft schwirrt von Gelächter und alten Geschichten. 

„Wisst ihr noch?" Ist wohl die am häufigsten gestellte Frage des Abends. Und fast immer lautet die Antwort: „Ja klar! Aber wisst IHR noch…?“ 
Würde uns ein Fremder belauschen - er müsste zwangsläufig den Eindruck gewinnen, unsere gesamte Schulzeit sei ein einziger Spaß gewesen. Und die größte Katastrophe vergessene Hausaufgaben. 


Unvergessen, wie der Kalk (Religionslehrer und Pfarrer mit viel Temperament und einer Frisur wie Albert Einstein) in einem Anfall von Wut die Blockflöten zweier Schüler aus dem Fenster im 2. Stock warf. Den beiden blieb damals nur eine einzige Pause, um die Instrumente in dem darunter liegenden Dornengebüsch zu finden - und danach zum Musikbau zu rennen.

Wo im Zweifel unser Musiklehrer Herr Hüsch geduldig wartete. Ein sensibler, verständnisvoller Mann, von dem überliefert ist, dass er sogar noch an die Schüler 10 Punkte vergab, die im vergangenen Halbjahr Musik abgewählt und gar nicht mehr am Unterricht teilgenommen hatten  - und deswegen „etwas stiller als im Vorjahr“ gewesen waren….

Auf soviel Nachsicht konnte man bei seiner Kollegin Frau Fleischhammer nicht rechnen. Die engagierte Chorleiterin hatte uns schon in der 5. Klasse gezeigt, wo der - musikalische - Hammer hängt. „Wenn die erste Stimme singt, wird die Milch sauer!“ hatte sie in jeder einzelnen Chorprobe krakeelt und mich damit gleich nach dem ersten Halbjahr vertrieben. Eine Erfahrung, die "dem Mär" erspart blieb - er war erst gar nicht in den Chor aufgenommen worden und stellte kurz darauf befriedigt fest, dass diese vermeintliche Schande eigentlich das Beste war, das ihm hatte passieren können.

Neben der Musik spielten an der „Liebig“ allerdings vor allem die Sprachen eine wichtige Rolle.

Kein Wunder, waren doch unsere Sprachlehrer allesamt faszinierende Persönlichkeiten.

An erster Stelle wäre da wohl der Fendel zu nennen, der enthusiastische Französischlehrer, der uns an einem einzigen Studientag in Straßburg durch sage und schreibe 7 Kirchen geschleppt hatte.
Neben seiner Begeisterungsfähigkeit soll hier jedoch auch seine fachliche Kompetenz Erwähnung finden. Zeichnete er sich doch dadurch aus, dass er nicht nur akzentfrei französisch sprach, sondern sich sogar im Deutschen einen leichten französischen „accent“ zugelegt hatte - très charmant….

Getoppt wurde sein Enthusiasmus wohl nur vom Braunberger. Der hatte für den Studientag des Englisch-Leistungskurses eine ganz besondere Idee: 
„Wir machen daraus ein ganzes Studienwochenende“, teilte hatte er uns strahlend mitgeteilt. "Wir hängen einfach den Samstag und Sonntag dran und fahren ins Haus der Sieben Brüder nach Hunoldstal - nur zwei Stunden von Frankfurt entfernt im Wald gelegen. Da wird man garantiert nicht abgelenkt - nur wir und Shakespeare. Na, irgendjemand (etwa) nicht dabei!?!“

Klar, dass bei so viel Begeisterung der Funke übersprang, überspringen musste. Und so bin ich vermutlich nicht die einzige ehemalige Braunberger-Elevin, die vor ein paar Jahren - noch immer gefangen von der Magie eines Ortes namens Hunoldsthal - bei der Verleihung eines Oscars an Gwyneth Paltrow dachte: „Shakespeare in Love?" Müsste das nicht „In Love with Shakespeare“ heißen?


Trotz all der Anekdoten über unsere Lehrer - im Laufe des Abends bestätigt sich dann doch, dass nicht zuletzt die Schüler die wahren Stars unserer Schulzeit waren.

Allen voran "Alfred, der rasende Ägypter“. 

Der zierliche Alfie hatte im Rahmen eines Abi-Streichs den Lehrer Dorsch - während einer Unterrichtsstunde in einer der unteren Klassen - mit der Wasserpistole ausgiebig naßgespritzt und war danach auf den Oberstufenschulhof geflüchtet. Dort eingetroffen kam er allerdings nicht dazu, Atem zu schöpfen, denn obwohl doch GK- und nicht Sport-Lehrer, sprintete der Dorsch dem Angreifer hinterher und verfolgte ihn unglaubliche 900 m weit, bis tief in die Hausener Siedlung hinein, wo sich schließlich Alfreds Spur in einem Gebüsch verlor. 

Eine Leistung, die Alfred auch nach 25 Jahren noch zum heimlichen Superstar des Abi-Lehrgangs macht, wie der Jubel bei seinem Eintreffen beim Abitreffen verrät.

Nicht ganz so viel Sportsgeist, dafür aber überraschend viel Kreativität hatten Jahre zuvor, so ungefähr in der Sechsten, der Kalli und der Mär bewiesen. Am Rande der Klassen-Faschingsparty wurden sie von der Englischlehrerin gefragt, ob sie sich nicht auch verkleiden wollten. Darauf entgegneten die beiden mit breitem Grinsen „Das sind wir doch!“ und verwiesen darauf, dass sie ihre Trainingsanzüge (beide blau und von Adidas) getauscht hatten und doch ganz offensichtlich als „Mär und Kalli“ gingen…

Geradezu abenteuerliche Geschichten hatte ich seinerzeit offenbar verpasst: 
War da wirklich mal jemand mit der Klassenkasse „abgehauen“ und Jahre später ganz frech bei Facebook wieder aufgetaucht? Um dort einen geradezu ausschweifenden Lebensstil zu präsentieren, dessen finanziellen Grundstock womöglich die damals erbeuteten Schülerersparnisse gebildet hatten?

Dabei dachte ich immer, ich hätte den einzigen echten Kriminalfall hautnah miterlebt: 

Als wir in der neunten Klasse Austauschschüler aus einem Vorort von Paris zu Gast hatten, bestand für einige der Franzosen das größte Freizeitvergnügen darin, an den freien Nachmittagen den örtlichen Woolworth-Laden zu besuchen. Eine Begeisterung, die uns zu teilen schwer fiel. Aber schließlich ist man ja verantwortlich für seine Gäste. Also geht man mit.

Diese Verantwortung nahm vor allem der Roland damals ganz besonders ernst. Hatte er doch einen Austauschschüler zugeteilt bekommen, dem man seine 16 Jahre nun so gar nicht ansah. Schlimmer noch - bei der Ankunft der französischen Klasse hatten wir zunächst gedacht, ein Fünfklässler hätte sich unter die Gruppe geschmuggelt, die nach Deutschland fuhr. Er hieß Jerome und sein immenser Zigarettenkonsum sowie seine grandiosen Fähigkeiten beim Küssen (von denen die Hälfte der weiblichen Austauschschülerinnen und auch die zuvor erwähnte Verwalterin der Klassenkasse schwärmten), ließen erhebliche Zweifel an der Schmuggeltheorie aufkommen. 

Obwohl - vermutlich wäre die Sache, die danach passierte, weitaus glimpflicher abgelaufen, wäre Jerome tatsächlich erst 11 gewesen. Das dachte zumindest Rolands Mutter, als an einem sonnigen Nachmittag der Detektiv vom Woolworth anrief, um ihr mitzuteilen, dass „der kleine Jerome“ dabei erwischt worden war, als er gleich zwei Woolworth-Uhren hatte stehlen wollen.
Ganz zu schweigen von dem Schrecken, der Frau B. in die Glieder fuhr, als der Detektiv dann auch noch mitteilte, dass er vorsichtshalber auch den großen, blonden, deutschen "Beschützer“ festgesetzt habe, in dessen Begleitung sich der Uhrendieb befunden hatte... 

Unnötig zu erwähnen, dass der Roland auch lange nach Abreise der Franzosen noch blöde Bemerkungen über seine Vergangenheit als Krimineller zu hören bekam..


Wie sich an diesem Abend herausstellt, war all das nur eine harmlose Kinderei, gemessen an dem, was sich damals während unseres Gegenbesuchs in Frankreich abgespielt hatte.

Nun, nach all den Jahren, rückt Martin nämlich mit einer wirklich düsteren Geschichte heraus, die sich seinerzeit in der Parise Banlieue abgespielt hatte.

Sein Gastbruder verbrachte damals sämtliche Nachmittage in einer extrem verruchten und noch dazu total verrauchten Spielhölle und schlug allen Ernstes vor, dass Martin ihn dorthin begleitete! Auf dem Gepäckträger seines Mopeds. Ohne Helm!

Sprachlos starren wir Martin an, dem es ganz offenbar gut tut, dieses traumatische Erlebnis seiner Jugend einmal loszuwerden.

„Und? Bist du etwa mitgefahren?“ fragt der Ger und erschauert schon beim Gedanken an die Antwort. 

„Natürlich nicht“, beruhigt ihn Martin dann auch gleich. „Ohne Helm? Nee, natürlich nicht!" 
Und ergänzt: "Ich bin immer mit dem Bus hinterhergefahren.“ 

Erleichtert schauen wir uns an. „Der Martin. Echt clever.“ 


Selbstverständlich darf an diesem Abend auch eine romantische Liebesgeschichte nicht fehlen. Stellt sich doch heraus, dass eines der anwesenden Paare in diesem Sommer sage und schreibe 25jähriges Liebesjubiläum feiert! 

Erst ganz am Ende des letzten Schuljahres hatte es zwischen den beiden im Mathe-Leistungskurs gefunkt und allem Widerstand zum Trotz, gegen alle Barrieren zwischen den Klassen (er kam ursprünglich aus der 11b, sie aus der 11e), fanden die beiden schließlich zueinander.

Bei einigen von uns rufen Sabines Schilderungen dieses Happy Ends außer Freude auch etwas Wehmut hervor.

War doch soviel Liebesglück dem eigentlichen Traumpaar unserer Klasse, das schon in der Sechsten zueinander gefunden hatte, nicht vergönnt. Die Küste und der Kalli hatten sich wenige Jahre vor dem Abitur dann doch noch voneinander getrennt. Und das trotz allem, was die Klasse und sie miteinander durchgemacht hatten!

Und so ist es ein großer Trost, vom männlichen Protagonisten dieser „Love Story“ zu hören, dass zumindest das wichtigste Relikt dieser Beziehung überlebt hat: Ein liebevoll gestrickter Pulli in der Größe XXXXL (der das Tragen nicht nur von Hosen, sondern auch Schuhen darunter unnötig machte), der noch immer in einem Karton auf dem Speicher bewahrt wird.


Es tut gut. So ein Klassentreffen. 

Mag auch das eine oder andere Haar ergraut oder gar ausgefallen sein. Mögen wir alle etwas älter, reifer oder sogar etwas "gesetzter" erscheinen.

Lebt der eine in einer kunterbunten Patchworkfamilie und erlebt der andere als Banker die Griechenlandkrise hautnah mit.
Wartet die eine auch gerade darauf, dass der älteste Sohn endlich zum Studieren auszieht, während bei der anderen das lange Warten auf den ersten Sohn endlich ein Ende hat.
Haben die einen auch in einem kleinen bayrischen Dorf eine neue Heimat gefunden, während die anderen vor lauter Weltenbummlerei manchmal zu vergessen drohen wo das eigentlich ist - zu Hause. 

Eigentlich haben wir uns alle seit der 5. Klasse nicht groß verändert.

Zumindest, was unsere Trinkgewohnheiten angeht. Ich erinnere mich zumindest an keine Party der letzten 25 Jahre, auf der so viel Apfelsaftschorle konsumiert wurde. 

Doch nicht alle Fragen, die seit über zweieinhalb Jahrzehnten einer Beantwortung harren, konnten an diesem Abend geklärt werden. 

So auch die nicht, die der Wurch mir am Ende eines unserer zahllosen philosophischen Gespräche auf dem Mittelweg gestellt hatte: 

„Und wenn 'ne Ameise stirbt? Was ist dann?!“

Aber zum Glück sehen wir uns ja in spätestens 5 Jahren wieder...


Samstag, 29. August 2015

WINK MIT DEM ZAUNPFAHL

Meine Eltern wohnen in Schwalbach am Taunus. Das liegt bei Frankfurt.  

Das Städtchen ist nicht nur landschaftlich schön  - viel Wald, viele Felder und schöne Ausblicke auf umliegende Burgen - sondern auch sehr verkehrsgünstig gelegen. 

Zum Flughafen Frankfurt ist es nicht einmal eine halbe Stunde. 

Und auch wenn es eigentlich heißt "alle Wege führen nach Rom", gilt für uns im Heimaturlaub seit Jahren "alle Wege führen über Schwalbach".

Unser Aufenthalt in Deutschland beginnt und endet dort und während wir zwischen Dortmund, Krakau, Bielefeld, Düsseldorf, Bad Honnef, Berlin, Amsterdam, Genua und Bad Homburg hin und her reisen, legen wir dort immer wieder einen Zwischenstop ein.

Liegt eben sehr zentral. Und sollte ja nicht zuletzt deswegen nach der Teilung Deutschlands mal Bundeshauptstadt werden. 

Frankfurt. Nicht Schwalbach.

Für meine Eltern heißt es natürlich "zusammenrücken", wenn wir da zu viert einfallen. Sie ziehen für diese Zeit ins Gästezimmer. Im Schlafzimmer stapeln sich unsere Koffer. Waschmaschine und Trockner laufen im Dauermodus. Das Wohnzimmer wird zur Legolandschaft. 

Dennoch hatten wir BIS JETZT immer das Gefühl, sehr willkommen zu sein:

Großes Grillfest im Schrebergarten zur Begrüßung und zum Abschied. Fünf Tüten meiner Lieblings-Chips im Schrank. Ausreichend Bierchen für Felix kaltgestellt. Und irgendwie richtet mein Vater es immer so ein, dass die Himbeeren genau dann reif sind, wenn wir ankommen.  So dass Lotta und Luis sie direkt vom Busch naschen können.

BIS JETZT. 

Denn diesmal erleben wir nach unserer Ankunft eine ziemliche Überraschung.

Als wir mit meinen Eltern am Nachmittag in den Garten gehen, zeigen sie uns stolz:  ein Baumhaus!




Ganz hinten in der Ecke des Gartens, auf dem Pflaumenbaum.

Natürlich kein x-beliebiges Konstrukt, sondern eines der Extraklasse: Mit bequemer Holzleiter, Oberlicht, weitläufigen Fensterfronten mit Ausblick bis zum Viergötterstein, einer schicken Bastmattenverkleidung... 





"Wenn die Pflaumen reif sind, greift man einfach durch das Fenster und pflückt gesunde Vitamine", erklärt uns meine Mutter.

"Und wenn man etwas zusammenrückt, passen da locker vier Leute rein!"ergänzt mein Vater stolz.

Dann schauen sie überrascht in unsere etwas betretenen Gesichter. 

"Gefällt es Euch nicht?" fragen sie uns schließlich etwas enttäuscht.

"Doch schon, toll!" erwidern Felix und ich und überlegen fieberhaft, wie wir unsere Koffer die schmale Holzleiter hochkriegen. 

Da kommt zum Glück meine Schwester mit ihrer Familie in den Garten. 

Und als Helly und Seth laut rufen: 

"Hey, habt Ihr es schon gesehen? Das hat der Opa für uns gebaut!"

atmen wir erleichtert auf. 

Puh, Glück gehabt!







Freitag, 28. August 2015

URLAUB IST...

... wenn man vor lauter Freude in die Luft gehen könnte ...







Zum Beispiel weil man eine sooooo schöne Zeit mit Anna und Ella verbringt...









Mittwoch, 26. August 2015

AUSFLUG IN DIE VERGANGENHEIT

Die einen haben das Gefühl, das Thema habe ihre gesamte Schulzeit begleitet, wenn nicht sogar dominiert. Nationalsozialismus hier, 2. Weltkrieg da - bis es einem aus den Ohren rauskam.
Bei den anderen war das Schuljahr „zufällig“ immer schon fast um, wenn man im Unterricht zu den maßgeblichen Seiten des Geschichtsbuchs kam, so dass 12 Jahre Drittes Reich im Schweinsgalopp durchgehechelt wurden.

Allen gemein bleibt häufig die Frage: Auschwitz - muss man da hin?

Wir müssen nicht. Wir möchten. Und von Krakau ist die Gedenkstätte nur eine Stunde entfernt. Morgens um sieben steigen Felix und ich ins Taxi. Der Himmel ist düster und wolkenverhangen, neblige Wiesen rechts und links der Straße. Irgendwie passend zu unserer Stimmung.

Vor dem Gruppenschalter warten bereits in langen Schlangen Touristen, die den zahlreichen Reisebussen entstiegen sind. Aber unser Fahrer ist ein alter Hase. Und so betreten wir wenig später mit ein paar anderen "Individualreisenden" an diesem Morgen als Erste das Gelände.

Tiefe Pfützen auf den ersten Metern lenken den Blick zunächst auf den Boden. Als ich aufschaue, stehe ich unter dem Eingangstor. Über mir der Schriftzug „Arbeit macht frei“. 



Ich blicke auf den gepflasterten Weg hinter dem Tor. Häuserreihen. Dunkelroter Backstein. Vom Rauch der Jahre schwarz gefärbt.



Irgendetwas ist seltsam. Aber was? 


Ich gehe weiter und da fällt es mir ein. „Dieses“ Auschwitz ist bunt. Das in meiner Vorstellung war schwarzweiß.



Die wenigen Grasflächen leuchten grün. Dort zwischen den Häusern fanden Erschießungen statt. 



Überall Zäune. 



Stacheldraht.




Warnschilder.




Auschwitz 1 war das Stammlager. Hier gab es zahlreiche Verwaltungsgebäude, aber auch Zellen für Gefangene. Folterkeller. Hungerzellen. Wärterstuben. Kantinen. Gaskammern.

In den ehemaligen Verwaltungsgebäuden befindet sich jetzt die Ausstellung. 

Langsam wandern wir von Haus zu Haus.

Im ersten hängen riesige Schwarzweißbilder. Menschen, die entkräftet und verängstigt aus Zügen steigen. Mütter, die ihre Kinder an sich drücken und von SS-Leuten die Rampe entlang getrieben werden. 

In einem anderen Haus liegen hinter einer riesigen Glaswand die Brillen der Opfer. 

Im Kasten daneben hängt Häftlingskleidung.






Im nächsten Raum liegt ein Berg aus Prothesen, Schienen und Krücken. 


Daneben Bürsten, Kämme und Rasierpinsel.


   


Und dort drüben Töpfe und Kannen, die die Gefangenen mitgebracht hatten. In „die neue Heimat im Osten“, die man vielen von ihnen versprochen hatte.




All das habe ich in Dokumentarfilmen schon unzählige Male gesehen. Hier - nur eine Armlänge entfernt - fühlt es sich anders an. 

In den Fluren hängen Portraits der Häftlinge. Fotografiert von einem polnischen Mithäftling, dem es gelungen ist, diese Aufnahmen bei Kriegsende vor der Zerstörung zu bewahren.



Im letzten Schaukasten hängen Kinderkleidchen und bestickte Latzhosen.


In diesem Raum spricht niemand ein Wort.


Am Ende der Häuserreihen ist ein Gebäude, dessen Kellergewölbe in viele kleine Zellen unterteilt ist. Durch winzig kleine Löcher in der Außenwand kann man ein wenig Tageslicht sehen. Ich marschiere in eine Zelle hinein, weil ich wissen will, ob man durch die kleine Öffnung den Himmel sehen konnte. Oder nur einen Schacht.

Da entdecke ich eine kleine Gedenktafel, die in den Boden eingelassen ist. Hier - genau hier - verhungerte Pater Maximilian Kolbe. 

Nach der Flucht einiger Häftlinge hatten die Wärter wie üblich „ein Exempel statuieren“ wollen. Pater Kolbe meldete sich freiwillig, um einem anderen Gefangenen die Bestrafung zu ersparen. Den Tod durch Verhungern.


Im Erdgeschoss die Unterkünfte der Kapos.




Geradezu unglaublich komfortabel verglichen mit den Häftlingsunterkünften.


Mittlerweile regnet es. Mit gesenkten Köpfen gehen wir weiter. Und wären fast daran vorbeigelaufen: Das Haus, das dem „Leben vor Auschwitz“ gewidmet ist. 

Alte Filmaufnahmen von jüdischem Leben vor der Vertreibung, der Deportation, dem Völkermord. Heitere Musik und fröhliche bewegte Bilder, die an alle vier Wände des Raumes geworfen werden. Tanzende Mädchen, lachende Kinder, elegante Frauen und Männer bei einem Opernbesuch.

Im Obergeschoss hat jemand die Zeichnungen jüdischer Kinder aus dem Lager abgepaust und an die Wand gemalt.



Kinder, die kurz danach nicht mehr lebten.

Durch den Regen gehen wir zur anderen Seite des Lagers. Hier rechts geht der kleine Weg zur Villa des Lagerkommandanten ab. Wohnte der wirklich „mit Blick aufs Lager“? 

Links stehen Bäume, geradeaus geht es weiter durch ein paar Ruinen. Wir folgen dem Weg und gehen um einen in den Hügel hinein gebauten Komplex herum. Dort müssen wir kurz warten. Offenbar gibt es hier nur einen Eingang. Durch den verlassen gerade andere Besucher den halb unterirdisch gelegenen Gebäudeteil.

Nach kurzem Zögern gehen wir durch die Tür und stehen - in der Gaskammer von Auschwitz.


Über uns die Luken, durch die das Zyklon B hereingeworfen wurde. Am Ende des Raums ein Durchbruch zum Nebenraum, hinter dem Überreste der Verbrennungsöfen zu sehen sind. Um uns herum die Wände, die noch die gleichen sind wie damals.

Ich stehe da und lausche. Ob in mich hinein oder auf die Stimmen der Menschen, die hier gestorben sind - das weiß ich selber nicht.


Als wir zurück zum Wagen kommen, sind wir dankbar, dass der Fahrer es bei einem kurzen Kopfnicken belässt.

Es geht weiter nach Birkenau und auch hier ist mir der Eingangsbereich unheimlich "vertraut". 

Das langgezogene Gebäude mit dem Wachturm in der Mitte, unter dem die Schienen verlaufen, die zur Rampe führen.



Und dort auf den Gleisen sehen wir ihn: Ein einsamer Wagon. Sinnbild für millionenfaches Leid.


   
Birkenau sieht dann irgendwie eher so aus, wie wir uns ein Lager vorgestellt hatten. Auch wenn von den früheren Baracken nur die gemauerten Schornsteine übrig sind - auf der anderen Seite des Geländes hat man zahlreiche Baracken erhalten oder originalgetreu wieder aufgebaut.


Mittlerweile hat der Regen zugenommen. 
Graue Wolken hängen über dem Lager. Die Wege sind überschwemmt, Bäche fließen um die Baracken, von den Dächern fließt der Regen.


In den Baracken ist es düster und kalt. Und das im Sommer! Wie mag es hier gewesen sein, wenn draußen meterhoher Schnee lag? 



  
An den Schienen entlang gehen wir schließlich langsam Richtung Ausgang.


Über 70 Jahre - ein Menschenleben - so lange ist das alles mittlerweile her.

Aber wir schulden es denen, die dieses Leben nicht leben durften, dass wir nie vergessen, was hier geschah.



Sonntag, 16. August 2015

SCHÖNE FRÜCHTCHEN

"Ihr lebt in Vietnam? Oh, da gibt es bestimmt tolles Essen und wunderbares Obst und Gemüse, oder?"  

Ja. Gibt es. Die stinkende Durianfrucht beispielsweise, die man weder im Zug noch im Flugzeug transportieren darf. Oder die bitteren Riesengurken, die wir selbst gekocht immer noch absolut ungenießbar finden. Oder diese Pilze, die - egal wie man sie zubereitet, immer etwas komisch riechen - und schmecken...

Vielleicht deswegen vermissen wir in Hanoi so schmerzlich die Obst- und Gemüsesorten, nach denen in Deutschland ganze Jahreszeiten benannt sind: Erdbeeren, Spargel und so weiter...

Und so ist für uns im Sommerurlaub jeder Marktbesuch eine ganz besondere Freude:





































Wobei es bei der Freude über diese schönen Früchte nicht bleibt...

Über diese frechen Früchtchen freuen wir uns mindestens genauso sehr: