Grundsätzlich sind wir ja eine christliche Familie. Wenn auch eine, die es mit dem regelmäßigen Kirchgang nicht ganz so streng, mit Weihnachten, Ostern und der dazu gehörigen Bescherung bzw. Eiersuche dafür aber um so genauer nimmt.
Das Leben im Ausland verlangt uns in gewissen Situationen eine große Flexibilität und Einfallsreichtum ab. Möchten wir also beispielsweise dafür beten, dass jemand schnell wieder gesund wird, stehen wir häufig vor dem Problem, dass keine Kirche in der Nähe ist, in der wir diesen Wunsch adressatengerecht vorbringen können.
Ausgerechnet von Luis, der das schon längere Zeit sehr erfolgreich praktiziert, haben wir gelernt, dass man wichtige Wünsche hilfsweise auch an anderer Stelle „loswerden“ kann.
So betete unser jüngstes Familienmitglied vor dem letzten Geburtstag in einem Tempel in Luang Prabang sehr inbrünstig darum, ein bestimmtes Lego-Paket geschenkt zu bekommen. Und - es hat funktioniert!
Einen ähnlichen Erfolg erhoffen wir uns nun bei unserem Besuch des Marmorgebirges zwischen Da Nang und Hoi An.
Es begann mit einer Besichtigung der Höhlen im unteren Teil des Gebirges, deren Inneres eine sehr bizarre Mischung aus Kriegerdenkmal, ...
... buddhistischem Tempel ...
... und Paradies für Fledermäuse darstellt.
Heiliger Gral in Übergröße inklusive.
Nicht unfroh kürzte ich diesen Besuch, der einer unfreiwilligen Sitzung einer Konfrontationstherapie für Fledermausphobiker (Näheres hierzu unter Montagsdemo) glich, etwas ab und trat erleichtert an die frische Luft.
Die Erleichterung hielt jedoch nicht lange an:
Trotz unserer extrem ausgeprägten - manchmal fast peinlichen - Höhenangst stiegen Felix und ich in einen an den Berg gebauten Fahrstuhl. Jeder von uns hatte ein tiefenentspanntes Kind an der Hand, das unsere zitternden Knie und bleichen Gesichter, als der gläserne Fahrstuhl sich nach oben bewegte, großzügig übersah.
Oben auf dem Berg gelangten wir nach kurzer Wanderung zu einem Tempel, auf den die Beschreibung „verwunschen“ perfekt zutraf.
Den beiden entzückenden älteren Damen, die dort standen, kauften wir gleich mehrere Pakete Räucherstäbchen ab und begannen, die Stäbchen in den dafür vorgesehenen Behältern vor dem Tempel anzuzünden.
Offenbar spürte eine der beiden Damen, dass es bei unseren Wünschen und stillem Innehalten nicht um so etwas Profanes wie Weihnachtsgeschenke, sondern um etwas wirklich Wichtiges ging.
Sehr bestimmt forderte sie uns denn auch auf, ihr zu folgen und so kamen wir durch einige enge Gänge zu einem weiteren kleinen Tempel, der versteckt im Inneren des Gebirges lag.
HIER sollten wir Räucherstäbchen entzünden und auch an den in Höhlen halb versteckt gelegenen Buddha - Statuen.
Gehorsam taten wir wie geheißen, staunten dann aber etwas, als die alte Dame ein paar Räucherstäbchen entzündete ...
... und überraschend behende die Steinwand HINTER der großen Buddhafigur hochzuklettern begann und mich anwies, ihr zu folgen.
Meine angeborene Zurückhaltung allem Dunklen gegenüber, in dem sich möglicherweise Fledermäuse befinden, schob ich in diesem Augenblick zur Seite und folgte zögernd. Die alte Dame hatte zum Glück eine Taschenlampe dabei und als sie sie anschaltete, verstand ich: HIER war der Ort für die wirklich wichtigen Wünsche!
Schnell rief ich den Rest der Familie und gemeinsam mit Felix entzündeten Luis und Carlotta auch an dieser Stelle Räucherstäbchen.
Danach kletterten wir vorsichtig aus der Höhle und beobachteten, wie der Qualm der Stäbchen mit unseren Herzenswünschen in den Himmel stieg...
"Gute Besserung, Oma Ingrid! Wir wünschen uns, dass Du ganz bald wieder gesund bist!"
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