Samstag, 17. Oktober 2015

AUF DER SUCHE

Als es dem Bootsführer beim siebten Versuch endlich gelingt, den alten Motor zu starten, sind wir in eine dichte Dieselwolke gehüllt.

Es ist fünf Uhr morgens, ich sitze mit ein paar Fischerinnen auf einem alten Holzkahn und während die Frauen den ersten Tratsch des Tages austauschen,...



  
... genieße ich die wärmenden Strahlen der aufgehenden Sonne.





Heute bin ich losgezogen, um eines der letzten großen Geheimnisse dieses Landes zu erkunden: das der Fischsoße.

Im Vietnamesischen "Nuoc Mam" genannt, wird sie uns Ausländern meist als "Fiss Soss" präsentiert.

In einem kleinen Schälchen, mit etwas Knoblauch und Chili verfeinert, reicht man sie zu so ziemlich jedem erdenklichen Gericht. 

Mit Ausnahme der Süßspeisen vielleicht. Allerdings könnte ich schwören, dass bereits bei der Zubereitung des Sojapuddings und der in Zuckerwasser gekochten Kokosnussstreifen und Bohnen der eine oder andere großzügig bemessene Spritzer im Topf landet.

Die beste Fischsoße kommt angeblich von der Insel Phu Quoc im Süden Vietnams, doch so weit muss man gar nicht reisen.


Auch in der Umgebung von Hoi An, meinem erklärten Lieblingsziel, soll es die eine oder andere Fischsoßenfabrik geben. Versteckt natürlich - denn die Herstellungsprozesse sind geheim.

Aus einem mir unerklärlichen Grund fürchten die Vietnamesen nämlich, dass die Ausländer, wenn sie denn hinter die Produktionsgeheimnisse der "Fiss Soss" kämen, ihrerseits sofort überall Fabriken erbauen und versuchen würden, das weltweite Fischsoßenmonopol an sich zu reißen. 
Aus meiner Sicht eine etwas unbegründete Sorge, denn ganz ehrlich: Zu frittierten oder frischen Frühlingsrollen, in Betelnussblätter gewickelten kleinen Hackbällchen und leicht fermentiertem Tintenfisch mag "Nunc Mam" eine hübsche Ergänzung sein - dass sie sich im Land des Schweinebratens und der Rinderroulade durchsetzt, sehe ich erstmal nicht... 

Nach einer etwa zwanzigminütigen Fahrt legt das Boot an einem Steg irgendwo am Ufer des Flusses Thu Bon an.

  



Zahlreiche Fischerboote liegen hier vor Anker.      

      
   
Alle haben die vergangene Nacht auf dem Meer verbracht ...



   
... und werden hier seit den frühen Morgenstunden erwartet. 
     
    


Als die ersten Fischer beginnen, ihren Fang auf kleinen Booten zum Ufer zu bringen, werden sie noch im Wasser von den Marktfrauen umringt. 




An Land gehen die Verteilungskämpfe weiter. 



   
Und wer in Vietnam lebt, weiß, dass es dabei nicht zimperlich zugeht ...


Hat auch der letzte Fisch eine Abnehmerin gefunden, paddelt der Fischer wieder zurück zu seinem Kahn, um die nächste Fuhre zu holen.



Und während an Land die Beute für den Markt sortiert und verpackt wird,...

















... bereiten die Fischer an Bord Ihre Netze für die nächste Tour vor ...


   


... und gönnen sich erstmal eine Zigarette.




In all dem Trubel fällt mir plötzlich eine alte Frau auf. 

Sie beobachtet die anderen Marktfrauen aus vorsichtiger Entfernung. 




Schaut in jedes Boot...







... und bückt sich nach jedem noch so kleinen Fisch, der auf dem Boden liegt, ....




... um ihn dann sorgfältig in ihrer Tüte zu verstauen.


   
Rasch flitze ich zu einer der Händlerinnen, ignoriere ihr verdutztes Gesicht (an westliche Kundschaft muss man sich hier offenbar erst noch gewöhnen) und kaufe ihr einen kleinen Beutel mit Fischen ab. 

Dann laufe ich zu der alten Frau, überreiche ihr (vor lauter Aufregung mit einem kleinen Knicks) die Tüte und verabschiede mich schnell mit einem verlegenen Lächeln.

Ich bemerke, dass eine der älteren Verkäuferinnen mich beobachtet hat. Sie winkt mich zu sich und zeigt dann - fast unmerklich - auf eine kleine Straße, die in den Ort führt.

Sollte das etwa ein Hinweis für meine - fast in Vergessenheit geratene - Suche nach der Fischsoßenfabrik sein?

Ich gehe auf Nummer sicher, und um meine unbekannte Helferin nicht als mögliche Geheimnisverräterin zu entlarven, verzichte ich an dieser Stelle darauf, ihr Gesicht zu zeigen...
   
   
Dann marschiere ich in die gezeigte Richtung und - lege erstmal eine Pause ein. 

So viele Eindrücke machen hungrig. Ich brauche jetzt erstmal ein Ban My. 
Und die sollen hier in Hoi An besonders gut schmecken.

   

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