Abgesehen davon, dass Taifune - insbesondere solche, "die zu den größten und stärksten gehören, die seit Beginn der Messungen jemals das Festland getroffen haben" - eine gewaltige Schneise der Zerstörung hinterlassen, neigen sie zudem dazu, sich nicht an Vorhersagen zu halten.
Als wir Samstag morgen in Hanoi aufgebrochen waren, waren die Satellitenbilder im Internet noch eindeutig:
Der Taifun würde über die Philippinen hinwegstürmen, dabei katastrophale Zerstörungen hinterlassen und danach weiter Richtung Zentralvietnam in die Nähe von Da Nang ziehen. Dort hatten auch schon die Evakuierungsmaßnahmen begonnen. Und Da Nang lag viele Hundert Kilometer südlich von der Halong Bay.
Am Samstagabend war die Vorhersage noch immer die gleiche, dennoch - und das irritierte uns etwas - hatten die vietnamesischen Hafenbehörden alle Ausflugsboote, die nachts in den Buchten lagerten, schon für Sonntagmorgen zurück in den Hafen beordert.
Die Schiffe würden auch am Sonntag nicht mehr rausfahren. Und die Boote für die Tagestouren, wie wir eine unternehmen hatten wollten, würden das auch nicht.
Selbst über die Fahrzeiten der Fähre herrschte Ungewissheit.
An diesem Abend konnten wir nichts mehr entscheiden, also beschlossen wir - gemeinsam mit einer befreundeten deutschen Familie aus Hanoi, die zufällig auch in der Lodge wohnte:
Sonntag morgen sechs Uhr treffen sich zwei Vertreter der beiden Familien.
Checken die Lage.
Treffen eine Entscheidung.
Bei der anderen Familie stand der Vater auf.
Zunächst erfuhren wir von unserer Gastgeberin, dass auch der Fährbetrieb für den gesamten Sonntag eingestellt worden war. Ein Blick ins Internet zeigte, dass der Taifun - entgegen aller bisherigen Vorhersagen - mitten auf dem Ozean die Richtung geändert hatte. Er wehte nun ziemlich genau Richtung Halong Bay.
Das machte die Entscheidung einfach: Heimfahrt.
Fehlte nur noch der Bus. Die anderen waren auch mit einem Shuttlebus gekommen, also ebenfalls ohne eigenen Wagen. Schließlich verkündete unsere Gastgeberin, dass sie einen Bus aufgetrieben habe: für nachmittags halb vier.
Das hieß: rechnen. Der Taifun drehte sich in sich selbst sehr schnell - über den Philippinen mit über 300 km pro Stunde. Vorwärts bewegte er sich jedoch sehr viel langsamer - nämlich mit einer Geschwindigkeit von ca. 25 km pro Stunde vorwärts. Müsste reichen.
Und so verbrachten wir einen etwas unwirklichen Vormittag am Strand. Bei strahlend blauem Himmel und Sonnenschein.
Ließen Drachen steigen.
Sammelten Steine.
Und dachten doch ständig an den Sturm, der auf dem Weg zu uns war.
Als wir endlich in den Bus stiegen, hielt sich unser Bedauern über die Abreise daher auch in Grenzen. Und als uns nach und nach immer mehr Anfragen von Freunden und der Familie erreichten, die sich im fernen Deutschland um uns sorgten, da waren wir froh, antworten zu können, dass wir "ja schon auf dem Heimweg ins sichere Hanoi" waren.
Anrufe, SMS, Mail, What's app - und Facebook. Über alle Kanäle ließen uns Rita, Nadine, Wolfgang, Drea, Pia und andere wissen, dass sie an uns dachten.
Kein Wunder - in den deutschen Medien wurden erst die Bilder der grauenhaften Zerstörung auf den Philippinen gezeigt und anschließend lapidar mitgeteilt, dass DIESER TÖDLICHE TAIFUN NUN DIREKT AUF VIETNAM ZUSTEUERTE. Es fehlte lediglich der Hinweis, dass der Taifun bereits immer schwächer wurde...
Die Rückfahrt in der einsetzenden Dunkelheit, bei starkem Regen und überfüllten Straßen war dann weit weniger angenehm als die Hinfahrt.
Und so waren wir abends um neun, als wir endlich in unsere kleine Gasse einbogen, im wahrsten Sinne des Wortes "happy, in Hanoi" zu sein.
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