Dienstag, 23. Juni 2015

NO RISK NO FUN

Manchmal muss man sich einfach mal was trauen.

In Hanoi gibt es ein Büro des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD). Der verhilft vietnamesischen Studenten und Doktoranden zu einem Studienaufenthalt in Deutschland. Dank der finanziellen Unterstützung des DAAD können sich auch solche vietnamesische Studenten einen Deutschlandaufenthalt leisten, die das mit eigenen Mitteln nie finanzieren könnten. (Das vietnamesische Durchschnittseinkommen liegt bei ca. 150 US Dollar - im Monat.)

Der DAAD wirbt vietnamweit für sein umfangreiches Stipendienangebot, unter anderem mit bunten Postern, die aus Deutschland zur Verfügung gestellt wurden.

Darauf zu sehen ist zum Beispiel eine blonde Studentin aus Chile, die kaffeetrinkend an der Spree sitzt. Oder ein junger russischer Student mit Vollbart vor dem Brandenburger Tor.  Oder zwei kenianische Studenten in einem Forschungslabor.

Wenig verwunderlich, dass diese Poster die meisten vietnamesischen Studenten nicht ansprechen: Sie erkennen sich selbst darauf schlichtweg nicht wieder. 

Und wenig verwunderlich daher auch, dass die Leiterin des DAAD-Büros Abhilfe schaffen wollte. 

Anke, ihres Zeichens eine „Frau der Tat“, entschied vor ein paar Monaten, eine Testimonial-Reihe über Studentinnen und Studenten zu machen. 



Junge Vietnamesinnen und Vietnamesen, die mit Unterstützung des DAADs in Deutschland studiert haben und von denen ein oder gar beide Elternteile ebenfalls schon in Deutschland studiert hatten. 

Eine ganze „eigene“, vietnamesische Posterreihe sollte entstehen, die überall in Vietnam als Werbung für den Studienstandort Deutschland eingesetzt wird. Und damit es sich auch gleich richtig lohnt, dazu noch eine Broschüre, in der Interviews mit den Alumni aller Generationen, Fotos von ihnen und ihren Familien und den Andenken, die sie aus Deutschland mitgebracht haben, gezeigt werden. 

Eine ziemlich große Nummer also. Zumindest für mich.

Aber da war Matthias, der ungekrönte Fotokönig von Hanoi, der mich der Büroleiterin empfahl. 
Und da war Anke, die DAAD-Leiterin, die fand, dass das doch eine prima Idee sei. 
Und da war mein Schwiegervater, der begeistert frage, „wer, wenn nicht ich in der Lage wäre, diese Lebensgeschichten, die sich da offenbaren würden, in Bilder zu fassen." Und der sich schon auf die Fotos freute.

Und da war Felix, der anbot, mir an den Wochenenden zu Hause den Rücken freizuhalten und meinte „das sei doch mal eine schöne Herausforderung“. 

Und da war ich, die zögerte und zauderte - und es dann schließlich doch wagte. Und den Auftrag annahm.

Über mehrere Monate hinweg führte Anke Interviews, hier in Hanoi und auch in Ho Chi Minh City. Und ich habe sie als Fotografin begleitet. 

Mit diesem Ergebnis:










    
Anfang Juni fand die Eröffnung der Ausstellung mit den Postern und die Vorstellung des Katalogs in den Räumen des Vietnamesisch-Deutschen Zentrums statt.



Die Poster hingen - toll gerahmt - im Raum. Fast alle darauf abgebildeten Alumnifamilien waren angereist, auch die aus Ho Chi Minh City. 

Sogar die Präsidentin des DAAD war dabei und selbst der schwerbeschäftigte Vorsitzende der vietnamesischen Vaterlandsfront hatte sich für den Termin freimachen können. 

Und endlich hielt auch ich die fertige Broschüre in Händen - ein tolles Gefühl.


Und als ich da so stand, mit dem Buch in der Hand, musste ich an einen Moment vor fast zwei Jahren denken:

Es war der erste Schultag in der UNIS. In der Aula hatten sich die neuen Schüler mit ihren Eltern versammelt und Carole, die Direktorin der Grundschule, hielt eine mitreißende Rede, in der sie die wichtigsten Ziele aufzählte, die sich die Schule gesetzt hatte. Eines davon lautete: „We want you to become risktakers and adventurers!“ 

Damals hatte ich geglaubt, sie richte sich mit diesen Worten ausschließlich an die Kinder. 
Aber vielleicht hatte sie ja alle gemeint, die da im Publikum saßen.


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen