Sonntag, 9. Februar 2014

FRÜHSPORT


Ein Besuch in der Ha Long Bay gehört zum Pflichtprogramm jeder Vietnam-Reise und so bin ich mit meinen Eltern zu einer Mini-Kreuzfahrt aufgebrochen. Zwei Tage schippern wir auf einer alten Dschunke durch kleine Buchten und hoffen - vergeblich - auf Sonnenschein und blauen Himmel.

Aber auch wenn das Wetter besser sein könnte - es gibt dennoch viel zu sehen und für reichlich Abwechslung an Bord der „Treasure Junk“ ist gesorgt. Als Beispiel sei hier das Wickeln von Sommerfrühlingsrollen genannt - ein echtes Unterhaltungshighlight.

Nun sitzen wir gerade beim Abendbrot. Der vietnamesische Reiseleiter gibt Hinweise zum morgigen Programm (auf Englisch mit dem hier stets sehr stark ausgeprägten vietnamesischen Akzent).

Während meine Mutter und ich konzentriert lauschen, liegt die Aufmerksamkeit meines Vaters ganz beim Kellner, der gerade die Teller mit den Shrimpsschalen abräumt, um Platz für den Fisch in Karamellsoße zu machen.



„6.30  Wake-up, little imbiss.


7.30   Excursion to the floating village and the oysterfarm.


After that brunch on board. And then weg go back to the harbour.


Oh yes, I forgot: if you want – at 6.45 TAI CHI on deck of the ship.“


Da horcht mein Vater plötzlich auf: “Was? Schi? Der meint doch wohl Wasserschi!“



Freitag, 7. Februar 2014

GROUPIE-ALARM



In Vietnam gibt es keine Gleichstellungsbeauftragte. Und meines Wissens auch keinen Verantwortlichen für Genderfragen.

Dennoch (oder gerade deswegen?) ist es den VietnamesINNEN gelungen, in Berufssektoren vorzudringen oder sie sogar ganz für sich zu erobern, die in Deutschland klar männerdominiert sind und es für die nächsten Jahrzehnte wohl auch bleiben werden.

Ich spreche hier von DEN Berufen, in denen es weder einer Ursula von der Leyen und – zu meiner großen Überraschung -  nicht einmal einer Kristina Schröder gelungen ist, dafür zu sorgen, dass Frauen gleichberechtigt vertreten sind.

So müsste man in Deutschland eine ganze Weile suchen, um eine BauarbeiterIN und eine MüllFRAU zu finden, wohingegen in Vietnam sowohl „auf dem Bau“ als auch bei der Müllabfuhr nahezu Parität herrscht. Besser noch: Die Müllabfuhr befindet sich hier ausschließlich in weiblicher Hand.

Wenn es darum geht, Beton anzumischen, Steine zu schleppen oder ganz oben auf den Gerüsten herum zu klettern und das Dach zu decken – dann sind die Vietnamesinnen dabei. Und einen männlichen Müllmann habe ich hier überhaupt noch nicht gesehen. Stattdessen sind es allein Frauen, die hier bis in den späten Abend hinein mit ihren Handkarren den Hausmüll einsammeln und nebenbei auch noch die Wege fegen (Bürgersteige in dem Sinne gibt es ja nicht). Und wegen der engen Straßen gibt es für Müllautos hier kein Durchkommen.



Die vietnamesischen Männer tun sich verständlicherweise etwas schwer damit, von ihren urmännlichen Wirkungsstätten vertrieben worden zu sein.

Und so sind vielleicht auch deswegen die unzähligen Bia Hois (so nennt man hier die auf den ersten Blick etwas provisorisch wirkenden Kneipen, in denen tagesfrisches Bier ausgeschenkt wird und deren Bestuhlung aus diesen niedlichen blauen Hockern besteht, die man bei uns automatisch mit der Kindermöbelabteilung von IKEA verbinden würde) von morgens bis abends mit frustrierten Männern gefüllt, die versuchen damit fertig zu werden, dass es statt ihrer FRAUEN sind, die die Stadt sauber halten und für schöne neue Häuser sorgen.

Das zumindest ist Lottas und meine Theorie. Anders können wir uns einfach nicht erklären, warum wir in den Bia Hois IMMER nur Männer sitzen sehen, nie jedoch eine einzige Frau.

Zum Glück – für das gesellschaftliche Gleichgewicht - gibt jedoch auch Vietnamesinnen, die weniger querulant sind, Männern ihre Domänen nicht streitig machen, und sich stattdessen mit DER Wirkungsstätte zufrieden geben, die eigentlich für Frauen vorgesehen ist.

Mit der Küche.

Eine dieser Frauen ist Miss Vy.
Sie ist ungefähr so alt wie ich und hat vor ca. 20 Jahren gegen schwerste Bedenken ihrer Familie ihr erstes kleines Restaurant in Hoi An eröffnet. Mittlerweile kennt halb Vietnam sie wegen ihrer Kochsendungen im Fernsehen und neben dem ersten kleinen Lokal gehören ihr zwei weitere – nicht ganz so kleine, aber ständig ausgebuchte - Restaurants. In einem davon, dem CARGO, haben wir Silvester gefeiert und wussten gar nicht, was wir mehr genießen sollten, den Blick auf den Fluss, die Gespräche mit der lustigen Kellnerin, die schon mal in Wennigerode im Harz war oder das tolle Menü.
Ach ja, und seit neuestem gehört Miss Vy auch noch das MARKET PLACE, eine Mischung aus Erlebnisrestaurant und Kochschule, das optisch etwas an die oberste Etage des KaDeWe erinnert. Nur schöner.

Geschmacklich auch, zumindest so lange man bei den Ständen bleibt, an denen man die klassischen vietnamesischen Gerichte kosten kann (Schweinebauchwürfel an Mangosalat, frische Frühlingsrollen, in Bier gekochte Krebse).

Nicht mehr so KaDeWe-mäßig ist es an den Ständen, an denen die klassischen vietnamesischen Gerichte für Einheimische angeboten werden, die man als Tourist aber auch gerne probieren darf (Seidenraupensalat, gekochte Innereien mit 5-Gewürze-Soße, Quallensalat auf Reiscrackern).

Und so ist es wohl verständlich, dass ich für Frau Vy schwärme und mich daher gerne als ein Riesen-Fan von ihr bezeichne. Deswegen konnte ich auch nicht widerstehen, Felix zu bitten, ein Foto von uns beiden zu machen, als sie plötzlich mitten im MARKET PLACE vor uns stand.

  
Eine Frau, die weiß, wo sie hingehört.

In die Küche.

Die muss man doch toll finden.

Donnerstag, 6. Februar 2014

IM ZUG

Man KANN die 450 km lange Strecke von Na Thrang nach Da Nang mit dem Flugzeug zurücklegen. Das dauert ungefähr eine Stunde.

Man KANN aber auch mit der vietnamesischen Eisenbahn fahren. Das dauert ungefähr 10 Stunden.

Mein Vater ist pensionierter Lokführer. Da fiel die Entscheidung leicht. Zumindest meinem Vater.

„Wir wollen schließlich auch was vom Land sehen!“ lautete sein unschlagbares Argument.
Felix konnte das mit dem Einwand: „Aber das tun wir doch, wenn wir fliegen auch – nur eben von oben!“ nicht entkräften.

Und so bestiegen wir an einem sonnigen Nachmittag das Großraumabteil des „Unifications Express“. So heißt der Zug seit den späten 70er Jahren, weil er den Norden Vietnams mit dem Süden des Landes verbindet.

Nachdem wir es – mit reichlich Mühe - geschafft hatten, unsere Koffer in den Gepäckfächern zu verstauen, standen wir etwas ratlos da und dachten (mein Vater eingeschlossen) alle das gleiche: das werden LANGE 10 Stunden.

Als wir dann auch noch merkten, wie verkratzt die Fensterscheiben waren (was zur Folge hatte, dass man die Landschaft draußen kaum erkennen konnte), wurde die Ratlosigkeit noch größer. 

Und als nach zwei Stunden Fahrt die Dämmerung einsetzte und man draußen überhaupt nichts mehr sehen konnte, da wich die Ratlosigkeit einem tiefen Schweigen.

Was hatte mein Vater gesagt? „Wir wollen doch auch was vom Land sehen!“ 

Wie recht er hatte, denn das sahen wir...

... das Fernweh der Menschen...




…ihr Pflichtbewusstsein...


…was ihnen schmeckt...



... und wie sie schlafen...



...was sie zum Lachen bringt...



... und wie sie Freundschaft schließen.





Die 10 Stunden vergingen viel zu schnell.

Montag, 3. Februar 2014

JUGENDKRIMINALITÄT



Der Seehofer hat doch recht. 

Ich verstehe gar nicht, warum so wenige Menschen bei uns das begreifen. Und auch an dem Argument mit dem Migrationshintergrund ist was dran. Aber das will ja auch niemand hören.

Vermutlich fehlt denen allen - anders als mir -  der Blick über den Tellerrand hinaus. Das Kosmopolitische. Die globalisierte Sicht auf die Dinge eben.


Ich hatte nämlich diesbezüglich in Doc Let sehr einschneidende Erlebnisse.


Am dritten Tag unseres Aufenthaltes hatte ich mit meiner Mutter eine kleine Fototour gemacht. Links aus dem Resort raus, ein paar hundert Meter durch die Felder, dann gelangte man zunächst in ein kleines Fischerdorf. Obwohl: Fischer haben wir dort eigentlich nie gesehen. Es war also eigentlich nur ein kleines Dorf. 

Dahinter lagen Salzfelder – und dort hatte ich mich ein wenig mit der Kamera „ausgetobt“. Was nicht so ganz leicht war, denn zur Zeit gab es auf den Feldern weder Salz noch Salzwasser. Dafür aber viele freundliche Arbeiter, die uns nett zugewunken hatten.


Für den Rückweg wählten wir die Abkürzung am Strand entlang. Am sehr einsamen Strand, sollte ich wohl dazusagen.


Und wie wir da so lang gingen, bemerkten wir sie plötzlich: eine Gruppe junger Männer, die uns zuvor schon im Dorf aufgefallen war und die nun – nur etwas zwanzig Meter vor uns – aus den Dünen heraus auf den Strand traten. Und sie taten auch gar nicht erst so, als würden sie uns nicht bemerken, sondern stellten sich uns recht unverhohlen genau in den Weg.


Jetzt gibt es sicher Strände auf der Welt, bei denen man zunächst damit rechnen würde, die jungen Männer hätten eine Schwäche für ausländische Damen gesetzten Alters, die ohne Herrenbegleitung unterwegs sind, aber diese Art von Tourismus ist in Vietnam derzeit noch weitestgehend unbekannt.


Das hieß nun aber nicht, dass ich entspannt weitermarschierte, denn um meinen Hals baumelte das durchschnittliche (Mindest-) Jahreseinkommen eines vietnamesischen Doppelverdienerhaushaltes (wofür ich selbst allerdings auch ziemlich lange hatte sparen müssen)...


Und genau darauf zeigte nun die vietnamesische Dorfgang und grinste mich frech an.


Klar! Die wollten, dass ich sie fotografiere! Ich zeigte auf die Kamera, machte einen Geste, dass sie sich nebeneinander aufstellen sollten und knipste dann los.



War das ein Spaß - die Jungs posten und ich zeigte ihnen die Fotos auf dem Display der Kamera.


Sie jauchzten vor Vergnügen. Und zogen dann wieder zurück ins Dorf, nicht ohne sich vorher freundlich bedankt und verabschiedet zu haben.


Lachend zogen meine Mutter und ich weiter und erreichten kurz danach das Hotel. Wo uns dann das Lachen sehr schnell verging.



Es war mittlerweile Zeit, zum Abendessen zu gehen. Schnell in die Bungalows und frisch gemacht und dann – stand er plötzlich vor mir.


Zuckersüßes Lächeln, aber ein EISKALTER Blick, der mich schaudern ließ. Und da schleuderte er mir auch schon entgegen:


„Nee, ich ziehe mich nicht an! Auf KEINEN Fall. NUR WENN ICH MIT DEINEM HANDY SPIELEN DARF. GANZ LANGE.“



Das ist kein Kinderstreich. Das ist Erpressung. Eiskalte Erpressung.


Und wer noch einen Beweis brauchte, der hat ihn nun:

Minderjährig. 


Migrationshintergrund.

Beide Elternteile ohne Kenntnisse der Landessprache. Und das, obwohl sie schon seit einem halben Jahr hier leben.

Und die Assimilierungsbemühungen der Großeltern – doch eher ein Witz...





Wie gesagt. Der Seehofer hat ja so recht.

Samstag, 1. Februar 2014

FENG SHUI



Wir verbringen die Weihnachtstage in einem kleinen Resort am Strand. „Some days of silence“ – der Name ist Programm. 



Nur acht hübsche kleine Häuser, weitläufig verteilt in einem wunderschön angelegten Garten. Jeden Morgen werden in den unzähligen Vasen und Becken die Blüten ausgetauscht.

 

Neben einem kleinen Tempel, der als Ausstellungsraum für die Kunstwerke der ehemaligen Besitzerin dient (einer Vietnamesin mit großem Talent fürs Abstrakte), gibt es auch einen Meditationsbereich.

Die Mahlzeiten werden an einem langen, aus Beton gegossenen Tisch mit Blick aufs Meer eingenommen. Gemeinsam mit den anderen Gästen. Aber mit gerade so viel Abstand zwischen den Gruppen, dass man dennoch „unter sich“ ist.


Es gibt kein à la carte-Essen, stattdessen stark ayurvedisch geprägte „gesunde Kost“, die zu unserer großen Überraschung nicht nur satt macht, sondern auch noch schmeckt.

Von unserem Bungalow aus haben wir freie Sicht auf das südchinesische Meer – oder wie die Vietnamesen es lieber nennen: das Ostmeer.

Meine Eltern wohnen im Gartenbungalow. Der heißt nicht nur so, sondern hat auch einen – einen eigenen Garten mit Hängematten, einem ebenfalls aus Beton gegossenen langen Tisch mit einer Sammlung alter Keramik darauf und vielen Blumen.


Wenn man nach dem Aufwachen nach draußen tritt, sieht man im Morgenlicht unzählige kleine blaue Fischerboote, die voll beladen auf dem Rückweg zum Strand sind.

Meinen Eltern gefällt es gut (uns sowieso), lediglich „‘nen bisschen viel Feng Shui“ meinen sie.


Aber das ist alles nebensächlich, gibt es ihn doch tatsächlich - einen echten Weihnachtsbaum: