Freitag, 7. Februar 2014

GROUPIE-ALARM



In Vietnam gibt es keine Gleichstellungsbeauftragte. Und meines Wissens auch keinen Verantwortlichen für Genderfragen.

Dennoch (oder gerade deswegen?) ist es den VietnamesINNEN gelungen, in Berufssektoren vorzudringen oder sie sogar ganz für sich zu erobern, die in Deutschland klar männerdominiert sind und es für die nächsten Jahrzehnte wohl auch bleiben werden.

Ich spreche hier von DEN Berufen, in denen es weder einer Ursula von der Leyen und – zu meiner großen Überraschung -  nicht einmal einer Kristina Schröder gelungen ist, dafür zu sorgen, dass Frauen gleichberechtigt vertreten sind.

So müsste man in Deutschland eine ganze Weile suchen, um eine BauarbeiterIN und eine MüllFRAU zu finden, wohingegen in Vietnam sowohl „auf dem Bau“ als auch bei der Müllabfuhr nahezu Parität herrscht. Besser noch: Die Müllabfuhr befindet sich hier ausschließlich in weiblicher Hand.

Wenn es darum geht, Beton anzumischen, Steine zu schleppen oder ganz oben auf den Gerüsten herum zu klettern und das Dach zu decken – dann sind die Vietnamesinnen dabei. Und einen männlichen Müllmann habe ich hier überhaupt noch nicht gesehen. Stattdessen sind es allein Frauen, die hier bis in den späten Abend hinein mit ihren Handkarren den Hausmüll einsammeln und nebenbei auch noch die Wege fegen (Bürgersteige in dem Sinne gibt es ja nicht). Und wegen der engen Straßen gibt es für Müllautos hier kein Durchkommen.



Die vietnamesischen Männer tun sich verständlicherweise etwas schwer damit, von ihren urmännlichen Wirkungsstätten vertrieben worden zu sein.

Und so sind vielleicht auch deswegen die unzähligen Bia Hois (so nennt man hier die auf den ersten Blick etwas provisorisch wirkenden Kneipen, in denen tagesfrisches Bier ausgeschenkt wird und deren Bestuhlung aus diesen niedlichen blauen Hockern besteht, die man bei uns automatisch mit der Kindermöbelabteilung von IKEA verbinden würde) von morgens bis abends mit frustrierten Männern gefüllt, die versuchen damit fertig zu werden, dass es statt ihrer FRAUEN sind, die die Stadt sauber halten und für schöne neue Häuser sorgen.

Das zumindest ist Lottas und meine Theorie. Anders können wir uns einfach nicht erklären, warum wir in den Bia Hois IMMER nur Männer sitzen sehen, nie jedoch eine einzige Frau.

Zum Glück – für das gesellschaftliche Gleichgewicht - gibt jedoch auch Vietnamesinnen, die weniger querulant sind, Männern ihre Domänen nicht streitig machen, und sich stattdessen mit DER Wirkungsstätte zufrieden geben, die eigentlich für Frauen vorgesehen ist.

Mit der Küche.

Eine dieser Frauen ist Miss Vy.
Sie ist ungefähr so alt wie ich und hat vor ca. 20 Jahren gegen schwerste Bedenken ihrer Familie ihr erstes kleines Restaurant in Hoi An eröffnet. Mittlerweile kennt halb Vietnam sie wegen ihrer Kochsendungen im Fernsehen und neben dem ersten kleinen Lokal gehören ihr zwei weitere – nicht ganz so kleine, aber ständig ausgebuchte - Restaurants. In einem davon, dem CARGO, haben wir Silvester gefeiert und wussten gar nicht, was wir mehr genießen sollten, den Blick auf den Fluss, die Gespräche mit der lustigen Kellnerin, die schon mal in Wennigerode im Harz war oder das tolle Menü.
Ach ja, und seit neuestem gehört Miss Vy auch noch das MARKET PLACE, eine Mischung aus Erlebnisrestaurant und Kochschule, das optisch etwas an die oberste Etage des KaDeWe erinnert. Nur schöner.

Geschmacklich auch, zumindest so lange man bei den Ständen bleibt, an denen man die klassischen vietnamesischen Gerichte kosten kann (Schweinebauchwürfel an Mangosalat, frische Frühlingsrollen, in Bier gekochte Krebse).

Nicht mehr so KaDeWe-mäßig ist es an den Ständen, an denen die klassischen vietnamesischen Gerichte für Einheimische angeboten werden, die man als Tourist aber auch gerne probieren darf (Seidenraupensalat, gekochte Innereien mit 5-Gewürze-Soße, Quallensalat auf Reiscrackern).

Und so ist es wohl verständlich, dass ich für Frau Vy schwärme und mich daher gerne als ein Riesen-Fan von ihr bezeichne. Deswegen konnte ich auch nicht widerstehen, Felix zu bitten, ein Foto von uns beiden zu machen, als sie plötzlich mitten im MARKET PLACE vor uns stand.

  
Eine Frau, die weiß, wo sie hingehört.

In die Küche.

Die muss man doch toll finden.

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