Freitag, 1. Januar 2016

ECHT BIO.

Man mag es auf den ersten Blick nicht gleich merken, aber die Vietnamesen sind ein zutiefst misstrauisches Volk. 

Das merkt man vor allem dann, wenn es um’s Essen geht.

Ich kann beispielsweise nicht mehr zählen, wie oft mich vietnamesische Taxifahrer oder Marktfrauen vor chinesischen Äpfeln gewarnt haben. Die seien nämlich mit so viel Chemie behandelt, dass sie - selbst wenn man sie aus Versehen ein Jahr im Kühlschrank vergisst - beim Wiederauffinden immer noch frisch und knackig aussehen!

Hartnäckig hält sich das Gerücht, dass (chinesische!) Äpfel, die als Grabbeilage bei einer Bestattung verwendet wurden, beim traditionellen Umbetten nach einigen Jahren genau so vorgefunden wurden, wie sie hineingelegt wurden: rosig und rund. Kein bisschen verschrumpelt. Nach all der Zeit...


Vor diesem Hintergrund ist es wenig überraschend, dass auch in Vietnam ein regelrechter „Bio-Boom“ eingesetzt hat.

Eier, Lachs, Hühner - alles findet man mittlerweile auch in Bio-Qualität. Und vor allem zu Bio-Preisen. 

Die Expat-Gemeinde in unserem Stadtteil ist dankbarer - und zahlungswilliger - Abnehmer dieser Produkte und ergänzt sie durch aus Europa, den USA oder Australien importierten weiteren Bio-Nahrungsmitteln. Bei aller Liebe zu gesunder Ernährung - auf die CO2 der Lebensmittel kann man da nicht auch noch Rücksicht nehmen…

Für bewusste Verbraucher wie uns stellt sich da natürlich die Frage, wie man den familiären Speiseplan um weitere einheimische Produkte bereichern kann, die den hohen Erwartungen an gesunde Kost gerecht werden.

Ich habe daher kürzlich einen kleinen Forschungstrip in ein Dorf vor den Toren Hanois unternommen, das für seine Bio-Produkte berühmt ist. 



Hier werden unter anderem Nudeln gefertigt. Allerdings nicht in einer hermetisch abgeschlossenen, vollkommen entmenschlichten LebensmittelFABRIK, sondern ganz „natürlich“. 

In einem ersten Arbeitsschritt wird die Nudelmasse gefertigt und dann zu dünnen Fladen gewalzt. Das findet nicht etwa in anonymen Großküchen statt, sondern in gemütlichen Kochnischen wie dieser hier.



Die Fladen werden dann auf speziell dafür gefertigte Matten gelegt, um zu trocknen.




Dabei wird Hygiene ganz groß geschrieben. 

Bevor eine neue Ladung Fladen auf die Matten aufgebracht wird, werden diese erst einmal ordentlich geschrubbt und abgespült. 

Am Fluss.


Die mit den „Nudelteig-Fladen“ belegten Matten werden dann für einige Zeit zum Trocknen aufgestellt.

Hierbei kommt dem Ort, an dem die Matten aufgestellt werden, eine ganz besondere Bedeutung zu. 

Er ist nämlich entscheidend für das Aroma und somit für den späteren Verwendungszweck der Pasta.

Die Nudeln, die später in Streetfoodlokalen angeboten werden sollen, trocknen - das erschließt sich nahezu von selbst - direkt an der Strasse. 







Es ist nämlich eben diese Phase des Fertigungsprozesses, die diesen Nudeln ihren so authentischen Straßengeschmack verleiht.








Und hier zeigt sich auch wieder einmal die Pfiffigkeit der Vietnamesen. Durch diese raffinierte Herstellungsmethode erübrigt sich nämlich die Zugabe von Geschmacksverstärkern und künstlichen Aromastoffen gänzlich.

Echt Bio eben.

Für die Nudeln, die für den Export nach Europa vorgesehen sind, hat man sich hier noch etwas ganz Besonderes einfallen lassen. Weil bei uns "Bio" häufig mit "frisch vom Bauernhof" gleichgesetzt wird, verleiht man diesen Nudeln ein ganz besonders ländliches Aroma, indem man sie in unmittelbarer Nähe zu typischen Bauernhoftieren trocknen lässt. 

Wie zum Beispiel diesen:


   
  
Sind die Nudeln ausreichend getrocknet und aromatisiert, werden sie in speziell dafür eingerichteten Arbeitsräumen fachmännisch von den Trockenmatten gelöst.



Dieser Arbeitsschritt ist so einfach, dass dafür auch Männer eingesetzt werden können.




In einem nächsten Arbeitsschritt werden die Platten zu Nudeln zerschnitten.

Hier ist Feinmotorik gefragt, weswegen diesen Job meist Frauen erledigen. 





Sobald auch dies geschehen ist, erfolgt ohne weiteren Zeitverlust der Transport zu den lokalen Verkaufsstätten. 

Hier wird im Hinblick auf die Transportmittel versucht, Umweltschutzaskpekten Genüge zu tun.

Das gelingt nicht immer.




Aber immer häufiger.



Abschließend kann ich behaupten, dass dieser Ausflug nicht nur sehr lehrreich sondern auch überaus unterhaltsam war.

Und wenn es beim nächsten Altstadtbummel mal wieder besonders köstlich aus einer der großen Töpfe duftet, dann weiß ich jetzt, dass ich bedenkenlos „zuschlagen“ kann, denn nicht nur die Brühe ist bestimmt „hausgemacht“ sondern auch die Nudeleinlage garantiert „echt bio“.


  
Ach ja, bevor ich es vergesse:

Als ich zum Ende meiner Besichtigung noch einen kleinen Spaziergang außerhalb des Dorfes machte, entdeckte ich eine - offenbar sonst geheim gehaltene - Produktionsstätte für eine weitere Bio-Pasta-Sorte.

Diese Nudelplatten liegen auf dem örtlichen Friedhof zum Trocknen aus. 



Es handelt sich - das verriet mir eine Dorfbewohnerin ganz im Vertrauen - um eine spezielle Nudelsorte, die ausschließlich für den chinesischen Markt bestimmt ist...




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