Samstag, 27. Februar 2016

OOPS - WE DID IT AGAIN!


Im deutschen Recht handelt derjenige VORSÄTZLICH, der eine Tat mit Wissen und Wollen begeht.

Was unsere Teilnahme am diesjährigen Aquathlon angeht, trifft es das sehr genau.

Als ich diesmal auf den Anmelde-Button klickte, wusste ich genau, was ich tat und nachdem wir im letzten Jahr vollkommen unerwartet gesiegt hatten, wollten Luis und ich auf jeden Fall versuchen, unseren Titel zu verteidigen.


 
In der Vorbereitungsphase kam mir mal wieder meine angeborene Trägheit in den Weg: Zwar hatte ich mich hochambitioniert gleich in zwei Schwimmkurse eingetragen, mich dann aber - bedingt auch durch die eisigen Temperaturen im Winter - gerade mal an drei Abenden tatsächlich in die Schule geschleppt.

Wer jetzt gleich die Warmduscher-Keule herausholt, dem sei entgegengehalten, dass der Swimmingpool in der Unis zwar wunderschön, aber eben lediglich ein überdachter Outdoor-Pool
ist. Da kann einem die Lust aufs Reinspringen bei 12 Grad (gefühlt -7 Grad) schon mal vergehen.


Abgesehen von einem gewissen Trainingsdefizit meinerseits, hat unser Team "The Hobbits" allerdings auch mit Problemen beim Equipment zu kämpfen: Auf dem Weg zum letzten Aquathlon-Training war mir meine Tasche mit den Schwimmsachen vom Moped gefallen. Was ich allerdings zu spät bemerkte, nämlich erst, als ich schon in der UNIS ankam. Darin befand sich mein einziger Badeanzug.

Da das einheimische Angebot an Schwimmanzügen überschaubar ist und ich zudem in keine der gängigen Größen (extra small, extra-extra small and extra-extra-extra small) passen würde, musste ich mir auf die Schnelle einen leihen. Coach Cat hilft in letzter Minute aus und meine Kinder vermuten sofort, dass die Badekleidung der Schwimmtrainerin mögliche Superkräfte enthalten könnte.

Das war es allerdings auch schon mit positivem Zuspruch. Alle anderen Kommentare zu meiner erneuten - untrainierten - Teilnahme am Wettbewerb handeln allesamt von Walen und anderen "trägen Geschöpfen", die voraussichtlich den gesamten Betrieb im Becken aufhalten würden. Von den offen ausgesprochenen Überlegungen, "ob man mich am Ende des Rennens eventuell mit Hilfe eines Krans aus dem Becken heben müssen würde" ganz zu schweigen...

Der Druck auf mich nahm durch diese familieninternen Diskussionen nicht unbedingt ab und um so aufgeregter war ich denn auch, je näher der Wettkampf rückte. 

Und endlich ist der große Tag gekommen!

Bibbernd stehe ich am Beckenrand und zupfe am Schwimmanzug herum. 10 Familienteams treten diesmal auf der Kurzstrecke an. Erst muss ich 200 Meter Schwimmen, danach unser Team-Armband an Luis übergeben, der die 1500 Meter laufen wird.

Als erste startet Coach Cat, 20 Sekunden danach ein anderer Sportlehrer, schließlich bin ich an der Reihe, gefolgt von zwei weiteren Vätern, die mich um mindestens einen Kopf überragen und deren Statur an Rugbyspieler erinnert...

Der Pfiff ertönt und ich schwimme los. Voll konzentriert und - entsetzt! Die Schwimmbrille ist nicht dicht. Und ich kann sie nicht absetzen, weil ich sonst die Kontaktlinsen verliere. Kein Spaß für jemanden, der ohne optische Hilfsmittel nicht mal zum Pool finden würde.

Ich blinzle und kämpfe mich weiter durch das Wasser. Die erste Wende und - ein Zeichen! Wie im letzten Jahr steht plötzlich Petra über dem Startblock und feuert mich so lautstark an, dass ich es trotz Badekappe und Wasserplatschen höre.

Ich beiße - bildlich gesprochen - die Zähne und das rechte Auge zusammen und schwimme weiter.

Irgendwann geht es nicht anders - ich muss am Vordermann vorbeischwimmen, wenn ich nicht die restlichen Bahnen hinter ihm hertrödeln und kostbare Zeit verschenken will. 

Und wieder einmal zeigt sich, dass wir während der Zeit in Vietnam alle etwas dazugelernt haben.

Ich wähle den vietnamesischen Weg.

Und zwänge mich an dem vor mir schwimmenden Vater vorbei, obwohl mir im gleichen Moment der nachfolgende Schwimmer auf der Gegenseite der Bahn entgegenkommt.



Wie durch ein Wunder bleibt der große Crash aus und ich ziehe am Vordermann vorbei.

Wie ich die restlichen Bahnen schaffe, weiß ich nicht, alle 50 Meter lausche ich auf Petras anfeuernde Zurufe und schöpfe wohl irgendwie wieder Kraft, aber als ich endlich das Ziel erreiche, fühle ich mich tatsächlich wie ein gestrandeter Wal. 

Und schaffe es nur mit äußerster Anstrengung, mich aus dem Becken zu stemmen und Luis unser Team-Band zu übergeben.



  
Der sprintet los und läuft die eineinhalb Kilometer so rasend schnell, dass wir gar nicht dazu kommen, ein Bild davon zu machen. 


Schon läuft er - nach einem rasanten Endspurt - durch die Zielgerade und endlich bekommen wir beide die heißersehnten Medaillen umgehängt, die alle Teilnehmer erhalten, die es durchs Ziel schaffen.



Gespannt verfolgen wir noch die Einläufe der Langstreckenteams, bevor es dann die berühmte Karottentorte für alle Teilnehmer gibt.

Endlich ist Siegerehrung! 


Und leider hat es diesmal nicht gereicht. Ein anderes Team betritt strahlend das Siegertreppchen und ich bin froh, das ich Luis schon vorher darauf vorbereitet habe, dass man nicht immer gewinnen kann...

Dennoch schaut er mich enttäuscht an. Und fragt sich wohl genau wie ich: Wie kann denn jemand noch schneller gewesen sein als wir? 

Wir umarmen einander und trösten uns damit, dass wir ja im letzten Jahr einen Preis mit nach Hause nehmen konnten.

"Dabei sein sei alles", versichere ich Luis, während ich ihn an mich drücke. Und merke, dass mir die Worte nur halbherzig über die Lippen kommen.
Insgeheim ärgere ich mich dennoch, dass es am Schluss nicht gereicht hat. Hätte ich doch nur mehr trainiert!

Schließlich nehme ich mir aber ein Beispiel an Lotta und ihrer Freundin Megan. Die konnten wegen einiger bürokratische Hindernisse nicht "normal" antreten und gehen ganz entspannt damit um.

Sie haben sich einfach selbst zu "Siegerinnen in der Kategorie Bestes Anfeuerteam" gekürt.
  
  
Und als wir einige Zeit später die Eisdiele in Tay Ho verlassen, versichern uns die Kinder, dass so ein Eisbecher (fast) jeden Pokal aufwiegt.





Nachtrag 1:

Als ich am Abend den Computer einschalte, entdecke ich eine Mail von den Organisatoren:

Es tue ihnen sehr leid... ein bedauerlicher Messfehler ... sie haben alles nochmal gecheckt... aber tatsächlich sind die Sieger im Wettkampf Family Team - Short Distance "Die Hobbits" - also WIR!

Als ich Luis die Neuigkeiten mitteile, strahlt er stolz und freut sich riesig! 

Dann sagt er traurig, dass er soooo gerne auf dem Siegerpodest gestanden hätte. Aber das ginge ja nun nicht mehr.

Ich versuche, ihn zu trösten, indem ich ihm verrate, das wir doch noch einen kleinen Pokal erhalten werden.

Und was er dann sagt, ist mal wieder so typisch für Luis: 

"Aber ich will nicht, dass sie dem anderen Jungen seinen Preis wegnehmen! Nur damit wir ihn bekommen."


"Nee, keine Sorge" beruhige ich ihn. "Wir kriegen einen Neuen."


Nachtrag 2:

Und genau so kommt es. Als Ersatz für die verpasste Siegerehrung am Samstag organisiert Coach Ella eine kleine Überraschung-Siegerfeier während des Sportunterrichts mit den anderen Zweitklässlern.


Und weil da ganz viele Lehrer und vor allem seine ganzen Freunde dabei sind, findet Luis DIESE Siegerehrung irgendwie noch viel cooler...

 


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